Wiedergabe der Festansprache des Bürgermeisters vom 8.Mai 2010 am Gedenkstein in Langenorla.
Sie wurde ins Niederländische, Italienische, Englische und Französische übersetzt.

 

Liebe Anwesende,

Wir haben uns heute am Vorabend des morgigen Europatages hier am Gedenkstein der
Reimag - Opfer aus Belgien, Italien, der Slowakei, der ehemaligen Sowjetunion und weiterer europäischer Länder versammelt.
Getroffen haben wir uns, um der Toten und Lebenden zu gedenken. Wir haben uns hier eingefunden im 65. Jahr der Befreiung vom Hitlerfaschismus, um zu mahnen und immer wieder aufmerksam zu machen, dass sich Derartiges weltweit nicht wiederholt.
Leider erfahren wir täglich aus den Medien von Diskriminierung und Gewalt, von Menschenrechtsverletzungen und Krieg auf dieser Erde. Noch immer werden Menschen Opfer von Gewalttaten und Gewaltherrschaft wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder ihrer politischen Gesinnung.
Wir müssen ein Gespür für gefährliche Anfänge entwickeln, weil Menschen zu allen Zeiten verführbar sind. Wir müssen unser Gehör schärfen für nationalistische und rassistische Töne und Untertöne, die Minderheiten, Andersdenkende und Angehörige anderer Völker und Kulturen diffamieren.
Diese Minuten des Gedenkens und der Mahnung, die uns friedliebenden Menschen zum Bedürfnis geworden sind, sollen uns auch die Kraft und Zuversicht geben, jedem menschenverachtenden Geist und jeder Form des Extremismus sehr konsequent und mit Zivilcourage entgegenzutreten.
Mehr denn je ist, 65 Jahre nach dem Ende deutscher Barbarei, von uns allen neben Zivilcourage und Solidarität, der Nachweis gefordert, dass die Deutschen ein wahrhaft humanes und demokratisches Volk sind.
Unsere Kinder und Jugendlichen waren nicht beteiligt an diesen Ereignissen der deutschen Geschichte, aber sie müssen die Folgen dennoch mittragen und verstehen. Vergessen und Verleugnen macht die Vergangenheit nicht ungeschehen.
Und gerade weil die überlebenden Zeitzeugen immer weniger werden, ist es besonders wichtig das Vermächtnis der Toten und Überlebenden an die junge Generation wie einen Staffelstab weiterzugeben. Einen Staffelstab gegen das Vergessen und für die Erinnerung von Generation zu Generation. Nie dürfen wir vergessen, was Menschen im Namen der Nazi-Ideologie anderen Menschen angetan haben.
Die Erinnerung und das Gedenken umfassen aber auch diejenigen Menschen, die im Bunde der alliierten Truppen zur Befreiung Deutschlands, von der Nazi-Herrschaft beigetragen haben. Die ihrerseits mit Verlust der Gesundheit oder des Lebens eine aufopferungsvolle militärische Aufgabe erfüllt haben zur Befreiung Thüringens, Deutschlands und der ganzen Welt.
Stellvertretend für sie weilen heute Veteranen der US-Armee unter uns und es sind auch ganz bewusst die aktiven Soldaten der US-Armee und der Bundeswehr mit einbezogen. Dies soll besonders daran erinnern, dass Thüringen durch die US-Armee befreit wurde.
In seiner historischen Rede am 8.Mai 1985 sagte Bundespräsident Richard von Weizsäcker: "Wir Älteren schulden der Jugend nicht die Erfüllung von Träumen, sondern Aufrichtigkeit. Wir müssen den Jüngeren helfen zu verstehen, warum es lebenswichtig ist, die Erinnerung wach zu halten" Erinnern ist auch Arbeit und kann sehr weh tun. Erinnerung ist aber auch eine Brücke in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Deshalb begehen wir heute gemeinsam mit Jung und Alt, mit vielen Menschen und Freunden im vereinten demokratischen Europa unser Fest der Völkerverständigung.